Unsere Website ist nicht für deine Browserversion optimiert.

Seite trotzdem ansehen

Wohnen, Bauen, Strom produzieren und Abschied nehmen

2. Oktober 2023 – Die letzte Parlamentssession der Legislaturperiode 2019-2023 fand wie schon vor vier Jahren in spezieller Atmosphäre statt. Zahlreiche mir nahestehende Parlamentarierinnen und Parlamentarier treten zurück. Sie waren das letzte Mal aktiv an den Debatten und Abstimmungen beteiligt und der letzte Sessionstag war gleichzeitig der emotionale Tag des Abschiednehmens. Denn ob die eigene Wiederwahl nach Bern gelingen wird, weiss niemand mit Bestimmtheit. Thematisch standen zum Legislatur-Abschluss unter anderem Wohnen, Mieten und Bauen auf der Traktandenliste.

Der Mantelerlass ist unter Dach und Fach

Nach einer rund zweijährigen Beratung der Revision von Energie- und Stromversorgungsgesetz hat das Parlament nun den so genannten «Mantelerlass» bereinigt und endgültig verabschiedet. Darin festgehalten ist der Ausbau der erneuerbaren Energien. Neben der Wasserkraft sollen die übrigen Erneuerbaren bereits im Jahr 2035 insgesamt 35 TWh Strom produzieren. Neu sind Energielieferanten zudem verpflichtet, bei den Kunden und Kundinnen Effizienzmassnahmen umzusetzen und kontinuierliche Verbesserungen in der Stromeffizienz nachzuweisen. Persönlich befürworte ich die Effizienzziele. Mit der Annahme des Mantelerlasses ist ein wichtiger Meilenstein in der Energiepolitik gesetzt worden. Es wird aber weitere Anstrengungen benötigen. Bereits nächste Woche diskutieren wir in der Energiekommission die Beschleunigungsvorlage, welche für raschere Verfahren bei Investitionen in die Stromproduktion sorgen soll.

Die Debatte um das Bauen ausserhalb der Bauzone geht weiter

Wie bereits während der Sommersession stand auch im Herbst die zweite Etappe der Teilrevision des Raumplanungsgesetzes (RPG2), die das Bauen ausserhalb der Bauzone betrifft, zur Debatte. Während der parlamentarischen Beratungen wurde die Volksinitiative «Gegen die Verbauung unserer Landschaft (Landschaftsinitiative)» eingereicht. Die Initiative will den Grundsatz der Trennung von Baugebiet und Nichtbaugebiet stärken sowie die Anzahl der Gebäude und die von ihnen beanspruchte Fläche im Nichtbaugebiet plafonieren.

Die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Ständerats (UREK-S) überarbeitete die RPG2-Vorlage des Bundesrats und integrierte in diese Elemente, mit denen Kernanliegen der Landschaftsinitiative aufgenommen werden. Ziel der Vorlage ist es, die Anzahl Gebäude und die versiegelte Fläche ausserhalb der Bauzone zu stabilisieren. Zudem soll das RPG2 den indirekten Gegenvorschlag zur Landschaftsinitiative darstellen. Mit dem Gebiets- und Kompensationsansatz bringt die Vorlage auch innovative neue Elemente ins Raumplanungsrecht. Das Gesetz wurde in der Schlussabstimmung von beiden Kammern einstimmig angenommen. Es ist zu hoffen, dass die Initianten die Landschaftsinitiative zurückziehen werden. Als Fraktionssprecher der Mitte-Fraktion habe ich mich in meinem Votum für die Annahme der Vorlage ausgesprochen.

Lockerungen im Zweitwohnungsgesetz

In Gemeinden mit einem Zweitwohnungsanteil von über 20 Prozent dürfen keine zusätzlichen Ferienwohnungen mehr gebaut werden. Altrechtliche Wohnungen sind Objekte, die vor der Volksabstimmung über die Zweitwohnungsinitiative im Jahr 2012 erstellt wurden. Solche Wohnungen sind in der Nutzung frei und dürfen heute bei einem Umbau um maximal 30 Prozent vergrössert werden. Bei einem vollständigen Abriss und Wiederaufbau hingegen ist eine solche Erweiterung nicht zulässig. Die von meinem Bündner Fraktionskollegen Martin Candinas eingereichte parlamentarische Initiative unter dem Titel «Unnötige und schädliche Beschränkungen des Zweitwohnungsgesetzes in Sachen Abbruch und Wiederaufbau von altrechtlichen Wohnungen aufheben» möchte diese rigiden Vorschriften moderat lockern. Wer in touristischen Orten ein altes Gebäude abreisst und wieder neu aufbaut, soll künftig die Fläche um bis zu 30 Prozent vergrössern können. Ausserdem dürfen im Rahmen dieser Erweiterung auch zusätzliche Wohnungen ohne Erstwohnungsauflage entstehen. Im Namen der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrats (UREK-N) sprach ich mich in meinem Votum klar für die Annahme des Gesetzesentwurfs aus.

Ausserordentliche Session «Wohnen und Mieten»

In der letzten Sessionswoche wurde von Links/Grün eine ausserordentliche Session einberufen, um über Massnahmen gegen die steigenden Mieten zu diskutieren. Die politische Linke sieht die Lösung in Mietpreiskontrollen und einem Moratorium für Mietzinserhöhungen.

Die grundsätzliche Ursache für steigende Mieten ist neben dem aktuellen Zinsanstieg der Wohnungsmangel. Die vorgeschlagenen Mietzinskontrollen und Moratorien sind dabei mehr Gift als Medizin. Als Fraktionssprecher der Mitte-Fraktion habe ich diesen Standpunkt in meinem Votum vertreten. Die Ideen der Linken würden das Bauen für Investoren unattraktiver machen und diese abschrecken. Mein Kollege Leo Müller sieht das Rezept darin, dass Einsprecher einen Teil der Verfahrenskosten tragen müssen, sofern eine Einsprache gegen ein Bauprojekt erfolglos bleibt. Er kritisierte, dass viele Bauprojekte verzögert würden, weil Einsprachen ohne oder nur mit sehr geringem Kostenrisiko eingereicht würden. Aus meiner Sicht erfreulich ist, dass sich der Nationalrat dafür ausgesprochen hat, erfolglose Einsprecher zur Kasse zu bitten und die untauglichen Rezepte der Linken abzulehnen. Das Geschäft geht jetzt weiter in den Ständerat.

Die Rolle der Teilzeitarbeit

Immer mehr Menschen in der Schweiz arbeiten Teilzeit. Zwischen 1991 und 2022 hat sich der Anteil teilzeitarbeitender Männer von 7,8 auf 18,7 Prozent und bei den Frauen von 49,1 auf 57,9 Prozent erhöht. Durchaus erfreulich ist die damit verbundene höherer Erwerbsquote der Frauen, sodass beispielsweise das Arbeitsvolumen von zwei je 70 Prozent arbeitenden Ehegatten jenes einer Vollzeit arbeitstätigen Person übersteigt.

In gewissem Sinne negativ zu Buch schlägt die «freiwillige» Teilzeitarbeit von Personen, die keine familiären Unterstützungs- und Versorgungsaufgaben haben. Es ist wichtig anzumerken, dass die freie Wahl des Arbeitspensums im liberalen Rechtsstaat nicht in Frage gestellt werden darf. Die «freiwillige» Teilzeitarbeit allerdings führt zu Ausfällen bei den direkten Steuern, zu Mindereinnahmen bei den über Lohnbeiträge finanzierten Sozialversicherungen, zu Mehrausgaben bei der individuellen Prämienverbilligung und weiterem. In einem Postulat bitte ich den Bundesrat aufzuzeigen, welche Auswirkungen die Entwicklung zu mehr Teilzeitpensen auf die Ausschöpfung des inländischen Arbeitskräftepotenzials hat und mit welchen Massnahmen höhere Arbeitspensen bei Personen ohne familiäre Versorgungs- bzw. Unterstützungsaufgaben gefördert werden können. Wichtig ist, dass die Anreize dort geschaffen werden, wo der Verzicht auf «freiwillige» Teilzeitarbeit zur Bekämpfung des Arbeitskräftemangels beitragen würde. All meine Voten und Vorstösse finden Sie übrigens jederzeit auf der Website des Parlaments.

Eine ganz aussergewöhnliche Legislaturperiode wird Anfang Dezember enden. Covid-19, der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und die Rettung der Credit Suisse prägten die Arbeit des Parlaments. Nicht vergessen dürfen daneben aber verabschiedete Vorlagen, die unser Land weiterbringen werden. Die Reform AHV 21, der Mantelerlass für die sichere Stromversorgung oder das neue Raumplanungsrecht für Bauen ausserhalb der Bauzonen sind Beispiele dafür. Persönlich konnte ich in den vergangenen vier Jahren in Bern wertvolle Erfahrung auf der nationalen Politbühne sammeln und mich durch mein Engagement im Rat etablieren. Sehr gerne würde ich weiterhin als Nationalrat für die Interessen der Schweiz, der Ostschweiz und des Kantons St.Gallen einstehen. Für Ihre zwei Stimmen auf «meiner» Liste ‘2a Die Mitte St.Gallen Nord-West’ danke ich Ihnen von Herzen.

Freundliche Grüsse

Nicolò Paganini

Nationalrat