Sicherheitspolitik im Schatten des Ukrainekriegs
«Die Schweiz übernimmt nach anfänglichem Zögern das EU-Sanktionspaket gegen Russland.» Mit dieser erfreulichen Nachricht startete das Parlament in die Session. Die zögerliche Haltung des Bundesrats kurz nach Kriegsausbruch wurde im Parlament von der Mehrheit kritisiert. Für mich ist sehr erfreulich, dass der Bundesrat quasi als Vorwirkung der Erklärung des Parlaments alle EU-Sanktionen übernommen hat. Damit hat die Schweiz ein wichtiges Zeichen gesetzt.
Der Ukraine-Krieg hat aber auch sicherheitspolitische Fragen aufkommen lassen. Insbesondere die Debatte um die Kampfjetbeschaffung erhielt eine zusätzliche Dynamik. Die Linke propagierte jahrelang, es gäbe in der heutigen Zeit keine konventionell geführten Kriege mehr. Deshalb bekämpft sie die neuen Kampfjets. In der Ukraine zeigt sich nun jedoch, dass noch heute vorwiegend Panzer und Raketen zum Einsatz kommen. Die Cyberkriegsführung hingegen spielt offenbar eine untergeordnete Rolle. Trotzdem läuft die Unterschriftensammlung für die Volksinitiative gegen die Kampfjetbeschaffung. Ich halte das angesichts der bereits erfolgten positiven Grundsatzabstimmung für Zwängerei – mit Blick auf die Sicherheit unserer Bevölkerung verantwortungslos. Auf der anderen Seite steht die Forderung im Raum, das Armeebudget sofort um 2 Milliarden Franken zu erhöhen. In einem Votum fragte ich unsere Verteidigungsministerin, zur Steigerung welcher Fähigkeiten der Armee kurz- und mittelfristig überhaupt zusätzliche Mittel ausgegeben werden können. Bundesrätin Amherd erklärte, dass wichtige Beschaffungsprojekte zur Stärkung von Resilienz, Führungsfähigkeit und Cyberschutz mit zusätzlichen Mitteln beschleunigt werden können.
Klimaziel Netto Null – aber wie?
Die Klimadebatte geht in die nächste Runde. Der Nationalrat diskutierte die Gletscher-Initiative heiss. Die Volksinitiative fordert den Ausstieg aus Erdgas, Erdöl und Kohle bis 2050. Zudem dürfen CO2-Kompensationen nur im Inland vorgenommen werden. Die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie (UREK) hat die Initaitive beraten: Wir halten grundsätzlich am Netto-Null-Ziel fest. Das generelle Verbot von fossilen Brenn- und Treibstoffen geht jedoch zu weit. Der Gegenvorschlag fordert nun deren Verminderung, soweit dies technisch möglich, wirtschaftlich tragbar und mit der Sicherheit des Landes und dem Schutz der Bevölkerung vereinbar ist. Ausserdem sollen die CO2-Kompensationen im In- und auch im Ausland erfolgen können.
Erstmals durfte ich bei einer Volksinitiative als Kommissionssprecher im Rat Bericht erstatten – ein persönliches Highlight. Ich persönlich lehne die Initiative ab und befürworte den Gegenvorschlag. Das Ziel ist allerdings ein indirekter Gegenvorschlag auf Gesetzesebene, das wird grundsätzlich von Links bis Rechts unterstützt. Bereits in den nächsten Tagen geht es in der Kommission darum, diesen indirekten Gegenvorschlag mit Inhalt zu füllen. Ich werde mich für eine Vorlage einsetzen, die zum Rückzug der Initiative führt und in einer allfälligen Volksabstimmung bestehen kann.
Stresstests für die künftige Energieversorgung
Die europäische Energiekrise, ausgelöst durch den Ukrainekrieg und die EU-Sanktionen, bereitet der Schweizer Nahrungsmittelindustrie als Grossbezügerin von Erdgas, Strom und Öl grosse Sorgen. Es steht die Frage im Raum, welche Abnehmer bei einem Engpass priorisiert werden. Es geht um die Ernährungssicherheit der Schweiz. In einem Vorstoss habe ich diese Frage dem Bundesrat gestellt.
Haben wir im Notfall doch keinen Storm? Reserve-Gaskraftwerke sollen in Zukunft Notstrom erzeugen können. Was aber, wenn es auch an Erdgas mangelt? Die Notfallstrategie des Bundes geht davon aus, jederzeit Gas importieren zu können. Das ist viel zu optimistisch. In einem Vorstoss fordere ich daher den Bundesrat auf, zu prüfen, ob die Lagerung von Flüssiggas einen Beitrag zur Stromversorgungssicherheit leisten könnte. Als Sprecher einer Fraktionsmotion fordere ich vom Bundesrat, die bestehenden Szenarien für die Energiepolitik harten Stresstests unterziehen zu lassen.
Vorstösse und Voten
Meine Stammleser wissen bereits, dass dieser Newsletter dazu dient, einen Einblick aus persönlicher Perspektive in die Ereignisse der vergangenen Session zu bieten. Neben den ausgeführten Themen habe ich mich im Parlament mit einem Votum für Verfahrensanpassungen im Raumplanungsgesetz stark gemacht. Weiter fordere ich mit einer Motion die Ratifizierung des Haager Unterhaltsübereinkommens.
Ohne Plexiglas und Maske
Vor dem Hintergrund des Ukrainekriegs kann die vergangene Session keineswegs als «normal» bezeichnet werden. Normalisiert hat sich jedoch der Ratsbetrieb in Hinsicht auf die Corona-Schutzmassnahmen – ohne Plexiglas und Maske. Auch die Sessionsveranstaltungen durften wieder ordnungsgemäss durchgeführt werden. Als Co-Präsident der Parlamentarischen Gruppe Tourismus freute es mich besonders, dass die Mitglieder der Gruppe sich nun wieder zum Arbeitsfrühstück treffen konnten und ein anregender Austausch zu aktuellen touristischen Themen stattfand. Zudem durfte ich bei den «Kuppleköchen», einer Gruppe von Nationalrätinnen und Nationalräten, die jeweils im Bundeshausrestaurant kochen, zu Gast sein. Apropos: Nein, liebe NZZ am Sonntag, ich bin weder italienischsprachig, noch haben mir die Mundartlieder von Gölä Mühe bereitet.
Bereits diese Woche gehen die Diskussion in der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie über den indirekten Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative und meine Arbeit in der Geschäftsprüfungskommission weiter. Gespannt schaue ich in die Zukunft und hoffe gemeinsam mit Ihnen auf beruhigende Nachrichten aus der Ukraine.
Freundliche Grüsse
Nicolo Paganini
Nationalrat