Vieles war äusserst ungewöhnlich an der am Dienstag und Mittwoch nach Ostern abgehaltenen ausserordentlichen Session zur staatlich abgesicherten Übernahme der Credit Suisse durch die UBS: Die Session wurde nach der «Rettung» der Credit Suisse am 19. März 2023 sehr kurzfristig angesagt, es ging um 109 Milliarden Franken und damit um sehr viel Geld, die Beschlüsse des Parlaments konnten aufgrund der Regeln zum Notrecht am CS-/UBS-Deal nichts mehr ändern, der Nationalrat «tagte» (oder besser «nächtigte») bis um 01.20 Uhr. Und am Schluss endete die Session abrupt, nachdem SP, SVP und Grüne trotz vorliegender Kompromissformulierungen ihren Wahlkampf höher gewichteten als das Zustandekommen einer Lösung und der Nationalrat das Geschäft zum zweiten Mal ablehnte.
Es braucht neue Regeln
Auch für die Mitte-Fraktion ist klar, dass im Nachgang zum Credit Suisse-Debakel für das Parlament grosser Handlungsbedarf besteht. Für eine überarbeitete Regulierung der systemrelevanten Banken müssen alle Optionen auf den Tisch. Das reicht von strengeren Eigenkapital- und Liquiditätsvorschriften, der Prüfung des Trennbankensystems, Grenzen für die unsägliche Boni-Kultur bis zu wettbewerblichen Auflagen an die neue UBS. Ich unterstütze auch die Forderung nach der Einsetzung einer parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK). Wenn nicht hier, wann sonst soll eine solche PUK eingesetzt werden?! Es muss lückenlos geklärt werden, wie es insbesondere über die letzten sechs Monate zu diesem Debakel kommen konnte und welche Rolle Bundesrat, Nationalbank und Finanzmarktaufsicht spielten.
Populismus vor Verantwortung
Der Ständerat und vor allem die Mitte versuchten, mit der Aufnahme von Forderungen insbesondere der SP dem Nationalrat eine Brücke zu bauen. Im Nationalrat behielten leider billiger Populismus und Wahlkampfgetöse die Oberhand. SVP und SP versenkten zusammen mit den Grünen die Vorlage und missbilligten damit das Vorgehen des Bundesrates am 19. März 2023. Ausgerechnet SVP und SP, die zusammen eine Mehrheit im Bundesrat stellen! Hätten ihre Bundesratsmitglieder am 19. März 2023 nach Parteimeinung gestimmt, wäre die Credit Suisse am 20. März bankrott gewesen, wären die Schalter geschlossen gewesen, hätten Bancomaten die CS-Kundinnen und -Kunden im Regen stehen gelassen, hätten weder Löhne noch Mieten noch Handwerkerrechnungen bezahlt werden können. Und es wäre wohl eine internationale Finanzkrise ausgelöst worden. Bei allem Ärger und Unverständnis, die auch bei mir und der Mitte herrschen: Bundesratspartei zu sein, heisst eben nicht nur, Privilegien zu haben, sondern auch Verantwortung für unsere Schweiz zu übernehmen. Die Mitte hat in der ausserordentlichen Session einmal mehr bewiesen, dass sie für konstruktive Lösungen steht und das Land zusammenhalten will.
Wir bleiben dran
Selbstverständlich ist die «Affäre Credit Suisse» mit dem Nein des Nationalrats nicht abgeschlossen. Am eigentlichen Deal und dem Verpflichtungskredit über 109 Milliarden Franken kann zwar nicht gerüttelt werden. Aber es gilt die Frage zu klären, ob die Schweiz ein internationaler Finanzplatz sein will und sein kann. Nach der grossen Enttäuschung ob des Versagens der «too big to fail»-Regelungen ist ein «weiter wie bisher» keine Option. Fast geht vergessen, dass das Parlament dem Bundesrat mit einer Reihe von überwiesenen Postulaten viele Aufträge erteilt hat, um Verbesserungen in der Finanzmarktregulierung zu prüfen. Das ist der richtige Weg. Denn «einmal darüber schlafen» hat noch nie geschadet.
Freundliche Grüsse
Nicolò Paganini
Nationalrat