Kein «David gegen Goliath» beim Verbandsbeschwerderecht
Kleinere Wohnbauten sollen nicht mehr von Natur- und Heimatschutz gebremst werden können. Der Nationalrat hat in der Herbstsession die Einschränkung des Verbandsbeschwerderechts bei kleineren Wohnbauprojekten – zum Beispiel Einfamilienhäusern – innerhalb der Bauzone beschlossen. Ich durfte dieses Geschäft als Kommissionssprecher im Nationalrat vertreten. Damit dürfen Umwelt- und Naturschutzverbände künftig keine Beschwerden mehr gegen Wohnbauten mit einer Geschossfläche unter 400 Quadratmetern einreichen, außer wenn sie in einem national bedeutenden Ortsbild oder im Gewässerraum liegen.
Dies markiert einen wichtigen Schritt, um bürokratische Hürden für private Bauvorhaben zu senken und die Prozesseffizienz zu steigern, ohne dabei den Schutz besonders schützenswerter Gebiete – wie in Gewässerzonen oder Ortsbildern – zu vernachlässigen. Der Bürger (David) soll durch die Einschränkungen besser vor großen Organisationen (Goliath) geschützt werden, die ihre Bauprojekte verzögern könnten.
Der politischen Linken missfällt die Idee der Lockerung des Verbandsbeschwerderechts, da dieses zentral sei für die korrekte Umsetzung des Umweltschutz- und Raumplanungsrechts. Entsprechend wichtig sei das Verbandsbeschwerderecht als Kontrollmechanismus. Doch mit diesen Argumenten sind die Linksparteien und die Grünliberalen in der Minderheit geblieben. Durchgesetzt haben sich SVP, FDP und Mitte, die praktisch geschlossen für eine moderate Beschränkung des Verbandsbeschwerderechts gestimmt haben.
Projekt Rhesi – der Rhein der Zukunft
Das Rhesi-Projekt ist ein Meilenstein im Hochwasserschutz am Alpenrhein und ein wichtiges Vorhaben zur Sicherung des Wirtschafts- und Lebensraums. Bei sehr grossen Hochwassern drohen Überflutungen und Dammbrüche – und damit grossflächige, mehrere Meter hohe Überschwemmungen. Bei solchen Ereignissen müsste mit zahlreichen Todesopfern und Sachschäden gerechnet werden. Mit den bestehenden, über 100 Jahre alten Schutzbauten kann die notwendige Hochwassersicherheit nicht mehr erreicht werden.
Auch diese Vorlage durfte ich als Kommissionssprecher begleiten. Das Geschäft besteht aus mehreren Teilen, nämlich einem neuen Bundesgesetz, welches die Organisation auf Schweizer Seite regelt, einem Verpflichtungskredit über 1,04 Milliarden Franken, einem Bundesbeschluss zur Genehmigung des Staatsvertrags mit Österreich und schliesslich dem Staatsvertrag selber. Das österreichische Parlament hat dem Geschäft vor den Sommerferien einstimmig zugestimmt. Gemeinsam sollen die Abflusskapazität des Rheins erhöht werden – dies primär durch Aufweitungen des Rheins innerhalb der bestehenden Hochwasserschutzdämme.
Ich freue mich, dass die Vorlagen auch auf Schweizer Seite angenommen wurden. Das Projekt Rhesi soll 2025 mit dem Genehmigungsverfahren starten und nach 27 Jahren Realisierungsdauer im Jahr 2052 abgeschlossen werden. Angesichts der schweren Hochwasserereignisse im Sommer 2024 müssen wir jetzt handeln, um die Sicherheit unserer Bevölkerung langfristig zu gewährleisten.
In Ruhe bauen – der Lärmschutz wird gelockert
Lockerungen beim Lärmschutz sollen den Wohnungsbau in lärmbelasteten Gebieten erleichtern, um dringend benötigten Wohnraum zu schaffen. Dabei standen zwei Ansätze im Fokus: Die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie (UREK) des Nationalrats sprach sich für eine Art erweiterte Lüftungsfensterpraxis aus. Konkret bedeutet dies, dass in jeder Wohneinheit mindestens ein Fenster in einem lärmempfindlichen Raum (z.B. Schlafzimmer, Wohnzimmer) vorhanden sein muss, bei dem die Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden. Dies erlaubt es den Bewohnern, auch ohne den Einsatz technischer Belüftungssysteme wie Lüftungen oder Klimaanlagen ein Fenster zu öffnen, ohne dabei unzumutbare Lärmbelastungen ertragen zu müssen. Als Mitglied der UREK habe ich mich innerhalb der Kommission für diesen Ansatz stark gemacht.
Der Ständerat hingegen ist für eine weitergehende Lockerung und sieht in der Installation einer kontrollierten Wohnraumlüftung, eine ausreichende Maßnahme, sodass kein zusätzliches Lüftungsfenster benötigt wird. Der Zielkonflikt zwischen Lärmschutz und verdichtetem Bauen stand im Zentrum der Diskussion. Der Kompromiss zwischen den Räten sieht nun vor, dass nur eine kontrollierte Wohnraumlüftung mit Kühlung jegliches Lüftungsfenster obsolet macht. Insgesamt wird die neue Gesetzgebung zum Bau und zur Sanierung zahlreicher Wohnungen im urbanen Raum führen.
Gegen Asylmissbrauch und Schutzstatus-Tourismus
In der letzten Sessionswoche stand im Rahmen einer ausserordentlichen Session die Asylpolitik mit ihren angespannten Debatten im Zentrum. Wer hilfsbedürftig im Sinne eines Asylgrundes nach Genfer Flüchtlingskonvention ist, soll Asyl erhalten. Im Namen der Die Mitte-Fraktion stand ich in meinem Votum für unsere humanitäre Tradition ein. Vielen Menschen in unserem Land ist ob der in den letzten Jahren sehr hohen Zahl an Asylsuchenden aber unwohl. Die Mitte-Fraktion ist daher nicht bereit, bei den auftretenden Problemen und Missständen einfach wegzusehen.
Unter anderem kam auch meine Motion vom Februar 2024 zum Schutzstatus S zur Abstimmung. Die Motion zielt darauf ab, den Missbrauch dieses Schutzstatus für ukrainische Flüchtlinge zu bekämpfen. Insbesondere richtet sie sich gegen den «Schutzstatus-Tourismus», bei dem Personen nach kurzer Zeit wieder ausreisen und von Rückkehrhilfe profitieren. Darin fordere ich verbesserte Kontrollen und die Möglichkeit, den Status abzuerkennen, wenn er missbräuchlich erlangt wurde. Die geforderten Anpassungen sind notwendig, um den Goodwill der Schweizer Bevölkerung gegenüber tatsächlich Schutzbedürftigen zu bewahren.
Partei- und Kantonskollege Benedikt Würth hat im Ständerat ebenfalls eine gleichlautende Motion eingereicht. Im Ständerat traf seine Motion bereits in der Sommersession auf Zustimmung. Es freut mich sehr, dass der Nationalrat in der Herbstsession nun auch meine Motion zum Schutzstatus S deutlich angenommen hat.
Dieser Newsletter behandelt jeweils nur ausgewählte politische Geschäfte der vergangenen Session. Während den Sessionen bringen wir Parlamentarierinnen und Parlamentarier auch laufend mittels Vorstössen neue Themen auf die politische Agenda und tragen in Form von Voten unsere Meinungen in die Parlamentsdebatten mit ein. Deshalb möchte ich Sie darauf hinweisen, dass alle meine Vorstösse und Voten auf der Website des Bundesparlaments als Text zum Nachlesen oder als Video jederzeit aufgerufen werden können.
Nun wünsche ich Ihnen allen einen «goldenen Herbst» und hoffentlich stimmungsvolle OLMA-Tage.
Freundliche Grüsse
Nicolò Paganini
Nationalrat